Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Adipositas zu behandeln. Meist werden sie kombiniert. Die Grundlage jeder Adipositas-Behandlung ist das sogenannte Basisprogramm oder multimodales Konzept.
Das Basisprogramm
Das Basisprogramm, auch als multimodales Konzept bekannt, enthält 3 Behandlungskomponenten.
1. Ernährungstherapie
Die dauerhafte Umstellung der Ernährung ist eine Herausforderung. Gewohnheiten, die sich über einen langen Zeitraum entwickelt haben, lassen sich nicht von heute auf morgen ändern. Besonders Menschen mit Adipositas benötigen daher individualisierte Ernährungsempfehlungen. Die Beratung sollte an die Therapieziele und das Risiko der Patientin / des Patienten angepasst sein.
Maßgeblich für den Erfolg ist, dass auch das persönliche und berufliche Umfeld berücksichtigt wird. Außerdem braucht es konkrete Ziele, zum Beispiel ein klar definiertes Kaloriendefizit. Auch praktische Aspekte der Ernährungsumstellung sollten nicht vernachlässigt werden. Idealerweise lernen Betroffene, was es beim Einkaufen zu beachten gilt und wie sich schmackhafte, ausgewogene Mahlzeiten mit ausreichend Ballaststoffen und magerem Protein ohne großen Aufwand zubereiten lassen.
2. Bewegungstherapie
Bewegung ist ein weiterer zentraler Bestandteil der Adipositastherapie. Zu den Leitlinien zählt unter anderem, dass die Patientinnen und Patienten Kraft- und Ausdauertraining kombinieren sollten: mindestens 150 Minuten Ausdauertraining pro Woche sowie Krafttraining zum Aufbau bzw. Erhalt der Muskelmasse. Bei einem BMI von mehr als 35 sollte die Wahl auf gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen oder Wassergymnastik fallen. Wichtig ist, dass im Rahmen der Patientenberatung stets realistische Ziele für die körperliche Aktivität vereinbart werden.
3. Verhaltenstherapie
Für eine Gewichtsreduktion muss der gewohnte Lebensstil und damit das Verhalten geändert werden. Bei einer Verhaltenstherapie unterstützen Therapeutinnen und Therapeuten dabei, mögliche Gründe für die Fettleibigkeit anzugehen. Die Verhaltenstherapie unterstützt Betroffene dabei, ungünstige Essgewohnheiten und Verhaltensmuster zu erkennen und zu verändern. Häufig spielen automatisierte Muster oder emotionale Auslöser eine Rolle. Bewährte Strategien sind u. a. Selbstbeobachtung, Reizkontrolle und der Umgang mit emotionalen Essanfällen.
Selbstverständlich sollte die Therapie auf die individuelle Situation angepasst sein. Zu ihren zentralen Bestandteilen zählt in der Regel, dass die Betroffenen ihr Verhalten und ihren Fortschritt selbst beobachten und dass sie trainieren, wie sie mit Konflikten umgehen und sich behaupten.
Gewichtsreduktionsprogramme
Die Patientenleitlinie (S3-Leitlinie) zur Diagnose und Behandlung der Adipositas empfiehlt, dass Menschen mit Adipositas Gewichtsreduktionsprogramme angeboten werden. Diese Programme enthalten in unterschiedlichem Umfang Elemente des Basisprogramms. Da Adipositas eine chronische Erkrankung mit biologischen, genetischen und hormonellen Einflussfaktoren ist, hängt der Erfolg einer Gewichtsreduktion nicht nur von Willensstärke und Motivation ab. Auch medizinische, psychologische und soziale Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Daher sollte das gewählte Programm individuell zur jeweiligen Lebenssituation passen. Zu den Gewichtsreduktionsprogrammen, deren Nutzen wissenschaftlich untersucht wurde, zählen unter anderem:
- Abnehmen mit Genuss: Dieses verhaltensbasierte Programm bietet die AOK ihren Mitgliedern ortsunabhängig an. Es läuft zwischen 6 und 12 Monaten und arbeitet unter anderem mit Ernährungstagebüchern, individualisierten Informationen und Teilnehmerforen. Bei Personen mit einem durchschnittlichen BMI von 31 ist die Wirksamkeit wissenschaftlich belegt: Die Gewichtsreduktion betrug in 10 Monaten im Mittel bei Frauen 2,2 kg und bei Männern 2,9 kg.
- Bodymed: Vor allem in Arztpraxen wird dieses Programm angeboten, bei dem 2 Hauptmahlzeiten durch Formula-Produkte ersetzt werden. Zusätzlich erhalten die Teilnehmenden eine Beratung zu Ernährung und Bewegung. Innerhalb von 12 Monaten konnten Personen mit einem durchschnittlichen BMI von 33,4 eine Gewichtsreduktion von 9,8 kg im Mittel erreichen.
- M.O.B.I.L.I.S.: Dieses einjährige interdisziplinäre Programm – Bewegung / Sport, Ernährung, Psychologie und Medizin – wurde für Betroffene mit einem BMI zwischen 30 und 40 entwickelt. Nach einem Jahr konnte bei Teilnehmenden mit einem durchschnittlichen BMI von 37 folgende Gewichtsreduktion festgestellt werden: bei Frauen durchschnittlich 5 kg, bei Männern 5,9 kg. Zudem haben sich die Begleiterkrankungen gebessert.
Zum Teil sind diese Programme kostenpflichtig. Bitte erkundige Dich bei Deiner jeweiligen Krankenkasse über eine mögliche Kostenübernahme oder -beteiligung.
Medikamentöse Therapie
Medikamente zur Gewichtsreduktion kommen in der Regel ergänzend zur Änderung des Lebensstils zum Einsatz. Bei Patientinnen und Patienten mit einem BMI ≥ 30 oder ≥ 27, mit gewichtsbedingten Begleiterkrankungen können sie eine wichtige zusätzliche Therapieoption sein. Vor allem dann, wenn trotz einer deutlichen Lebensstiländerung keine ausreichende Gewichtsabnahme erzielt wird oder wenn gewichtsbedingte Begleiterkrankungen eine rasche Intervention erfordern. Die beste Wirkung erzielen diese Medikamente in Kombination mit einer langfristigen Anpassung der Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten. Eine strukturierte ärztliche Begleitung oder ergänzende Programme können die Erfolgschancen erhöhen.
Zu den gängigsten Abnehmmitteln, die in Deutschland zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden können, zählen Wegovy®, Saxenda® und Mounjaro®:
Wegovy® ist eine Entwicklung des dänischen Pharmaherstellers Novo Nordisk. Das rezeptpflichtige Medikament ist seit 2023 in Deutschland zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas zugelassen. Es enthält den Wirkstoff Semaglutid.
Saxenda® wird ebenfalls von Novo Nordisk vertrieben. Das verschreibungspflichtige Mittel zur Unterstützung der Gewichtsreduktion bei Übergewicht und Adipositas ist seit 2015 hierzulande zugelassen. Es enthält den Wirkstoff Liraglutid. Zusätzlich zu den oben beschriebenen Voraussetzungen für eine Anwendung ist Saxenda® auch für Jugendliche ab 12 Jahren geeignet, bei denen Adipositas diagnostiziert wurde und deren Gewicht bei mehr als 60 Kilogramm liegt.
Mounjaro® ist ein rezeptpflichtiges Medikament, das der US-amerikanische Hersteller Eli Lilly zur Behandlung von Typ-2-Diabetes (Typ-2-Diabetes) 2022 herausgebracht hat. Seit Ende 2023 ist Mounjaro® in der EU außerdem zur unterstützenden Behandlung bei Adipositas und Übergewicht zugelassen. Es enthält Tirzepatid.
Semaglutid und Liraglutid ahmen die Wirkung des körpereigenen Darmhormons GLP-1 (Inkretinhormon) nach. Als sogenannte GLP-1-Rezeptor-Agonisten sorgen sie dafür, dass in der Bauchspeicheldrüse Insulin gebildet und ausgeschüttet wird. Außerdem verzögern sie die Magenentleerung, was zu einer Steigerung des Sättigungsgefühls und einer Dämpfung des Hungergefühls führt.
Der Wirkstoff Tirzepatid ahmt neben GLP-1 ein weiteres Inkretinhormon nach: GIP. Deshalb handelt es sich bei Tirzepatid um einen dualen Rezeptor-Agonisten. Ebenso wie GLP-1 spielt GIP eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung des Blutzuckerspiegels.
Chirurgische Therapie
Erst wenn die konservative Therapie über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten nicht zum Therapieziel geführt hat und eine extreme Adipositas besteht, sollte eine chirurgische Therapie, auch bariatrische Operation genannt, in Betracht gezogen werden. Von einer extremen Adipositas spricht man bei einem BMI ≥ 40 oder bei einem BMI ≥ 35, wenn gewichtsbedingte Begleiterkrankungen vorliegen. Chirurgische Eingriffe bei Adipositas dienen der langfristigen Gewichtsreduktion und können Begleiterkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen deutlich verbessern oder sogar in Remission bringen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten der chirurgischen Adipositas-Therapie. Je nach Operationsart soll erreicht werden, dass
- nicht so viel Nahrung auf einmal aufgenommen werden kann.
- sich das Sättigungsgefühl eher einstellt.
- der Körper die Bestandteile der Nahrung nicht vollständig aufnimmt.
Abhängig vom jeweiligen Verfahren verlieren die Patientinnen und Patienten zwischen 40 und 80 % ihres Übergewichts.
Das sind die gängigsten chirurgischen Verfahren bei Adipositas:
- Magenband: Mit dem Ziel, das Hungergefühl zu unterdrücken, wird ein Silikonband um den oberen Anteil des Magens geschlungen. Die Folge: Es entsteht ein kleiner Vormagen. Füllt er sich mit Essen, signalisiert der Magen Sättigung.
- Schlauchmagen: Der Magen wird auf ein Volumen von etwa 100 bis 120 Milliliter reduziert, sodass nur noch ein kleiner, schlauchartiger Magen zurückbleibt. Das Sättigungsgefühl tritt schneller ein.
- Magenbypass: Durch den Magenbypass wird ein großer Teil des Magens und Dünndarms umgangen und nicht mehr genutzt. Da zur Nahrungsaufnahme nur noch ein kleiner Magenrest verbleibt, stellt sich das Sättigungsgefühl bereits nach sehr kleinen Essensmengen ein. Diese „Umgehungsstraße“ bewirkt eine schnelle und deutliche Gewichtsreduktion.