Übergewicht durch Depression

Wie Psyche und Gewichtszunahme zusammenhängen

Starkes Übergewicht kann durch eine Depression ausgelöst werden. Umgekehrt belastet Fettleibigkeit die Psyche und kann die Entstehung einer seelischen Erkrankung begünstigen. Bei der Behandlung von Menschen mit Übergewicht müssen deshalb auch psychologische Aspekte berücksichtigt werden. Weshalb Übergewicht durch Depression entstehen kann und wie ein zu hohes Gewicht die Psyche belastet, erfährst Du hier.

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Das Wichtigste in Kürze
  • Viele Menschen, die unter einer Depression leiden, kämpfen zusätzlich mit ihrem Gewicht – umgekehrt haben auch viele Personen mit Übergewicht eine Depression.
  • Studien zeigen, dass bei der Gewichtsreduktion in vielen Fällen eine zusätzliche psychologische Unterstützung sinnvoll ist.
  • Antidepressiva können eine Gewichtszunahme begünstigen, die Studienlage ist aber noch unklar.

Depression und Übergewicht hängen zusammen

Ein Viertel der Männer und Frauen in Deutschland sind übergewichtig oder adipös. Dies wirkt sich häufig negativ auf die Gesundheit aus. Personen mit Übergewicht sind häufig von Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes oder erhöhten Blutfettwerten betroffen. Zudem treten mit zunehmendem Body-Mass-Index (BMI) deutlich häufiger gesundheitliche Probleme wie etwa Bewegungseinschränkungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf. Auch für die Psyche kann Fettleibigkeit eine Belastung darstellen.

Menschen mit starkem Übergewicht haben im Alltag oft mit Vorurteilen und Stigmatisierung zu kämpfen: Betroffene von Adipositas sehen sich häufig mit der Überzeugung anderer konfrontiert, dass sie für ihr Gewicht alleinverantwortlich sind. Viele Personen machen negative Annahmen über die Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten von Personen mit Übergewicht. Vorurteile wie diese können negative Auswirkungen auf viele Lebensbereiche haben, darunter zum Beispiel die Arbeitssuche oder die soziale Einbindung.

Studien zeigen, dass übergewichtige Patienten besonders häufig von Depressionen betroffen sind. Dies ist besonders dann der Fall, wenn das Übergewicht sehr stark ausgeprägt ist. Umgekehrt hat die Forschung gezeigt, dass depressive Menschen häufiger übergewichtig sind. Frauen scheinen von Depressionen zudem stärker betroffen zu sein als Männer. Bisher ist jedoch nicht geklärt, was die genauen Ursachen für die Wechselwirkungen zwischen Depression und Adipositas sind.

Mögliche Ursachen für die Entstehung von Übergewicht und Depression

Experten und Expertinnen gehen davon aus, dass genetische, soziokulturelle und psychologische Faktoren bei der gegenseitigen Beeinflussung von Adipositas und Depression ausschlaggebend sind. Einerseits können Bewegungseinschränkungen durch Übergewicht Betroffene daran hindern, ihren Alltag eigenständig zu bewältigen. Eine verminderte körperliche Aktivität wiederum ist oft mit depressiven Symptomen verbunden.

Auch die Zufriedenheit mit dem eigenen Aussehen spielt eine Rolle bei der Entstehung von Depressionen. Viele Personen mit Übergewicht leiden unter einem geringen Selbstwertgefühl und sind mit ihrem Aussehen unzufrieden. Mitverantwortlich dafür sind die gesellschaftliche Stigmatisierung von Übergewicht sowie Schönheitsideale aus den sozialen Netzwerken und anderen Medien.

Westlicher Lebensstil als Einflussfaktor

Sowohl die Ernährung als auch der Lebensstil können in wohlhabenden Industrieländern Übergewicht und Depressionen begünstigen. Ein Übermaß an Zucker, stark verarbeitete und fettreiche Lebensmittel sowie die ständige Verfügbarkeit von Lebensmitteln fördern eine ungesunde, kalorienreiche Ernährung. Gleichzeitig ist Stress in einer schnelllebigen und immer komplexer werdenden Welt eine der Hauptursachen für die Entstehung depressiver Erkrankungen. Stress wiederum fördert Übergewicht.

Stress und negative Gefühle verursachen emotionales Essen

Anhaltender Stress kann zu Essverhalten führen, das eine Gewichtszunahme begünstigt. Essen dient vielen Menschen als Ausgleich zu einem stressigen Alltag oder als Bewältigungsstrategie bei emotionaler Belastung, wie beispielsweise durch Wut oder Trauer. Depressionen sind dabei eine der häufigsten Ursachen für emotionales Essen.

Übergewicht entwickelt sich meist über einen langen Zeitraum. Entsprechend viel Zeit braucht es dann auch, um das Körpergewicht wieder zu reduzieren. Betroffene fühlen sich angesichts dieser Aufgabe oft machtlos und viele Versuche der Gewichtsabnahme scheitern.

Medikamente gegen Depression können Übergewicht fördern

Einige psychiatrische stimmungsaufhellende Medikamente stehen im Verdacht, das Gewicht zu beeinflussen. Es ist eine Gewichtsabnahme, aber deutlich häufiger auch eine -zunahme möglich. Die Studienlage zu diesem Thema ist derzeit jedoch sehr uneinheitlich. Daher können auch keine allgemeingültigen Aussagen über die Wirkung von Antidepressiva auf das Gewicht getroffen werden.

Hormonelle Dysregulation möglich

Aktuelle Forschung vermutet, dass Hormone und ähnliche Signalwege bei der Entstehung von Adipositas und Depressionen eine Rolle spielen. Ein möglicher Zusammenhang könnte beispielsweise durch eine Überaktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA) erklärt werden.

Die HPA-Achse ist maßgeblich an der Regulation der Stressreaktion beteiligt. Bei depressiven Menschen mit Übergewicht ist die HPA-Achse eventuell überaktiv. Dadurch wird in der Nebennierenrinde überschüssiges Cortisol ausgeschüttet. Das ausgeschüttete Stresshormon wirkt appetitanregend. Selbst bei ansonsten gesunden Personen ist eine solche Regulationsstörung mit einer Gewichtszunahme verbunden.

Eine Überstimulation der HPA-Achse kann auch die Leptin-Regulation beeinflussen, was zu einer Dysregulation des Hormons führen kann. Zusammen mit Ghrelin, das den Appetit steigert, ist Leptin an der Kontrolle von Hunger und Sättigung beteiligt. Die veränderte Regulierung kann den Appetit und die Gewichtszunahme steigern und wird sowohl bei depressiven als auch bei adipösen Menschen beobachtet.

Verhaltenstherapie kann bei Übergewicht und Depression helfen

Erfolgreiche Abnehmprogramme verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, der die Bereiche Ernährung, Bewegung und Verhaltenstherapie miteinander verknüpft. Amerikanische Forscher und Forscherinnen fanden bei der Analyse diverser Studien heraus, dass Verhaltenstherapie effektiv das Abnehmen unterstützen kann.

Zusätzliche Studien zeigen, dass Personen, die während eines Abnehm-Programms gleichzeitig für ihre Depression therapiert werden, mehr Gewicht verlieren als jene Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die keine Verbesserung ihrer psychischen Erkrankung erfahren.

Die Ergebnisse zeigen, dass in vielen Fällen zusätzliche psychologische Unterstützung sinnvoll ist. Der Erfolg ist jedoch stark individuell — nicht alle Patientinnen und Patienten können auf diese Weise profitieren.

Zusammenfassung

Viele Menschen, die unter einer Depression leiden, kämpfen zusätzlich mit ihrem Gewicht – umgekehrt haben auch viele Personen mit Übergewicht eine Depression. Dies kann verschiedene Gründe haben: Eine Depression führt zu Traurigkeit, Lustlosigkeit und mangelndem Antrieb. Betroffene bewegen sich deshalb häufig wenig. Auch die Energie für eine gesunde Ernährung fehlt häufig.

Durch biopsychosoziale Faktoren, mangelnde Bewegung, eine zu hohe Kalorienzufuhr und eine schlechte genetische Veranlagung kommt es dann schnell zu Übergewicht. Wird die Depression bereits behandelt und es kommen dabei Antidepressiva zum Einsatz, begünstigen diese oft eine Gewichtszunahme.

Häufige Fragen

Depressive Menschen bewegen sich häufig weniger als psychisch Gesunde. Sie verbrennen dementsprechend weniger Kalorien. Durch ihre Stimmung suchen sie zudem häufig Trost im Essen, wodurch sie mehr zu sich nehmen, als ihr Körper benötigt. Diese beiden Faktoren können neben genetischer Veranlagung und weiteren Faktoren zu Übergewicht führen.

Adipositas ist eine eigenständige Krankheit und ein Risikofaktor für viele weitere Erkrankungen, darunter auch Depressionen. Es ist jedoch keine psychische Erkrankung. Von einer Adipositas spricht man, wenn der / die Betroffene einen BMI (Body-Mass-Index) über 30 hat.

Ja, denn eine Depression kennzeichnet sich vor allem durch Antriebslosigkeit und Lustlosigkeit. Betroffene können oft kaum ihren normalen Alltag bewältigen. Sport zu treiben, einen Ernährungsplan aufzustellen und gesund zu kochen, kann für sie eine unüberwindbare Hürde darstellen und das Abnehmen verhindern.

Bei Adipositas kann jede Art von Antidepressivum eingenommen werden. Darunter fallen trizyklische Antidepressiva, wie zum Beispiel der Wirkstoff Amitriptylin, selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (kurz SSRI), wie zum Beispiel die Wirkstoffe Sertralin, Fluoxetin und Citalopram, oder Monoaminoxidase-Hemmer, wie beispielsweise Moclobemid.

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